Zum Inhalt Zum Hauptmenü Zu weiteren Infos

IVS Blog: Jedes Mittel ist recht


Wahlbehinderung von Menschen mit Behinderung durch die FPÖ?

Die Gewährung der Teilnahme am politischen Leben ist ein Grundrecht. Artikel 29 der UN Behindertenrechtskonvention stellt klar, dass Menschen mit Behinderung das Recht haben, zu wählen und gewählt zu werden. Artikel 29 stellt weiters klar, dass Menschen mit Behinderung sich bei der Ausübung ihres Wahlrechtes von einer Person ihrer Wahl unterstützen lassen können.

Ausgrenzung...
So weit so gut. Nur leider: nicht jeder österreichische Politiker hat die UN Konvention zur Kenntnis genommen. Denn Harald Vilimsky rüttelt in einem Interview mit der Tageszeitung Die Presse am Wahlrecht für 59.000 besachwaltete Personen: „Ein Gutteil weiß im Extremfall nicht, wie sie heißen und sie wissen nicht, dass demokratische Wahlen stattfinden. Trotzdem haben sie das uneingeschränkte Wahlrecht". Er sei dafür, dass über richterlichen Entscheid zu klären sei, ob diese Personen ausreichend in der Lage seien, an demokratischen Wahlen teilzunehmen. 

Nun sind mindestens 25.000 dieser von Vilimsky gemeinten 59.000 besachwalteten Personen Menschen mit intellektueller oder psychischer Behinderung. Norbert Hofer, Behindertensprecher seiner Partei, versuchte deshalb den Schaden zu begrenzen: es seien eh nur „Schwerstbehinderte" gemeint (in Radio Ö1 „Klartext Spezial", Sendung vom 15.09.2016). Wer wodurch „schwerstbehindert" sei und wer nicht, konnte er trotz Sprecherkompetenz nicht präzisieren. Wie das alles mit Artikel 29 der UN Konvention vereinbar ist, ließ er ebenfalls offen.

...Herabwürdigung...
Sein Kollege, Herr Vilimsky, will aber nicht nur einem „Gutteil" der Betroffenen das verfassungsrechtlich garantierte Wahlrecht entziehen. Er verbreitet ein überkommenes und diffamierendes Bild von Behinderung wenn er uns sagt: „Der weiß ja nicht einmal wie er heißt!." Das führt uns zurück in die Welt der „Idioten" und „Debilen" des frühen 20. Jahrhunderts. Vilimsky grenzt also nicht nur aus, sondern er trifft potentiell herabwürdigende Aussagen über etwa 25.000 wahlberechtigte Menschen mit intellektueller Behinderung in Österreich.
Vielleicht will ja ein Selbstvertreter oder eine Selbstvertreterin den Herren von der FPÖ erklären, was im 21. Jahrhundert eigentlich selbstverständlich sein sollte: Menschen mit intellektuellen Behinderungen kennen nicht nur ihren eigenen Namen, sie können auch zwischen zwei Personen unterscheiden. Besonders schnell und deutlich merken sie aber, wenn sie ausgegrenzt, entrechtet und diffamiert werden. Und vor allem kennen sie ihre Rechte laut Artikel 29 der UN Konvention.

...Unterstellung...
Es geht aber noch besser: Auftritt Herr Rechtsanwalt Dieter Böhmdorfer. Er hat ein Schreiben verfasst, welches an Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen in Österreich ergangen ist. „Die Betreiber der Betreuungseinrichtungen mögen dieses Schreiben am ‚schwarzen Brett' aushängen, denn es „enthalte wichtige Informationen zur rechtskonformen Durchführung der Wahl." Es folgt eine Auflistung aus Sicht der FPÖ nicht rechtskonformer Handlungen im Zusammenhang mit der Durchführung der Wahl in Betreuungseinrichtungen.

Das Ungeheuerliche ist: der Brief unterstellt implizit, dass Betreuerinnen und Betreuer Wahlen manipulieren würden, indem sie unberechtigten Einfluss auf die Meinungsbildung und/oder Meinungsäußerung der von Ihnen betreuten Menschen nehmen würden. Das wird nun schon seit Monaten von der FPÖ behauptet und natürlich ist die FPÖ bislang jeden Beweis dafür schuldig geblieben. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in der Untersuchung rund um die Hofburg-Stichwahl keine Wahlmanipulationen durch Betreuungspersonen bestätigen können. Man kann im diesem Vorgehen der FPÖ auch eine pauschale Verdächtigung und Diffamie-rung eines ganzen Berufsstandes sehen.

...Drohung...
Es folgt im Schreiben Böhmdorfers („sicher ist sicher") gleich noch eine Drohung in Richtung BetreuerInnen: Die von Böhmdorfer implizit unterstellte Einflußnahme wäre unter Umständen „nach Straftatbestand der Wahlfälschung nach § 266 StGB oder der Wahlbehinderung nach § 262 StGB" strafbar! Hier also wird die FPÖ plötzlich ganz konkret: Wer Menschen mit Behinderung unterstützt ihrem Wahlrecht nachzukommen, macht sich – so die Behauptung der FPÖ – potentiell strafbar. Ein mit rechtlichem Pomp und Pathos vorgetragener Einschüchterungsversuch, um die sehr wohl zulässige Unterstützung von Menschen mit Behinderung bei der Ausübung ihres Wahlrechts möglichst zu unterbinden.

Fazit?
Tatsache ist: natürlich können (und sollen) Menschen mit Behinderung, die wählen wollen bei der Ausübung ihres Wahlrechtes unterstützt werden. Selbstverständlich hat und wird dies so erfolgen, dass deren Wählerwille nicht beeinflusst wird!
Die FPÖ und der Artikel 29 der UN Konvention? Fehlanzeige! Wenn es darum geht Stimmen zu maximieren, kann man schon mal die UN Konvention ignorieren und 25.000 betroffene Menschen mit Unterstützungsbedarf in der Ausübung ihres Wahlrechtes behindern.

Wenig überraschend vollzielt sich die freiheitliche Taktik in altbekannten Mustern: Ausgrenzung, Herabwürdigung, Unterstellung garniert mit Drohungen. Was neu ist, ist das dieses rechtspopulistische „Standardverfahren" nun auch auf Menschen mit Behinderung und deren BetreuerInnen angewandt wird. Die Wahlbeteiligung am 4. Dezember könnte dennoch steigen. Menschen mit Behinderung haben viele UnterstützerInnen: Angehörige, BetreuerInnen, AssistentInnen, Freunde und Freundinnen. Auf 25.000 verunglimpfte Betroffene die angeblich „nicht mal wissen wie sie heißen" kommen mindestens 100.000 Freunde und UnterstützerInnen. Diese WählerInnen können am 04.12.2016 ihr Wahlrecht ausüben und die passende Antwort geben. Damit wir uns später nicht wundern, „was noch alles möglich sein wird."

Wolfgang Waldmüller, MAS
Vorstandsmitglied IVS – Wien

 

M.S.K.

Ein Projekt der BALANCE Leben ohne Barrieren GmbH

Mittendrin.Sein.Können.

Netzwerk Zukunftsplanung

MUV

Ein Projekt des Vereins BALANCE