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Weitere Einsparungen bedrohen Qualität der Wiener Behindertenhilfe


Offener Brief an den Bürgermeister von Wien


Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

als SprecherInnen der IVS Wien - Interessensvertretung sozialer
Dienstleistungs-unternehmen für Menschen mit Behinderung
wenden wir
uns mit folgendem Anliegen an Sie:

Die Leistungen der Stadt Wien für Menschen mit Behinderungen sind in
vielen Bereichen vorbildhaft. Mit der Schaffung von über 1500
gemeinwesenintegrierten Wohnplätzen im Rahmen der ARGE Wohnplätze,
der Ausgliederung von Menschen mit intellektuellen Behinderungen aus
psychiatrischen Krankenhäusern und Pflegeheimen, dem Ausbau des
teilbetreuten Wohnens und der Etablierung von neuen Leistungen, wie
der Pflegegeldergänzungsleistung, wurden beachtliche Standards
geschaffen, die eine gute Grundlage für die Weiterentwicklung im Sinn
der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung
darstellen.

Ein wesentliches Kriterium für echte Gemeinwesenintegration ist die
Kleinteiligkeit und Vielfalt der Betreuungsangebote, die sich in
einer relativ hohen Anzahl von privaten Vertragspartnern des Fonds
Soziales Wien mit jeweils sehr zielgruppenspezifisch differenzierten
Leistungsangeboten spiegelt.

Was die Finanzierung der Leistungen betrifft, haben wir als private -
im Auftrag der Stadt Wien tätige - Leistungsanbieter in den letzten
Jahren massive Anstrengungen unternommen, unter permanent hohem
Einsparungsdruck die Qualität der Leistungen annähernd aufrecht zu
erhalten. Denn die Erhöhung der Kostensätze geht seit 2009 in den
meisten Fällen nicht mit den tatsächlichen Kostensteigerungen einher.
Spätestens seit heuer ist allerdings ein Punkt erreicht, an dem
weitere Einschnitte zu einem deutlichen Qualitätsverlust für die
betroffenen Menschen mit Behinderung führen werden, weil tatsächlich
keine Spielräume hinsichtlich Kostensenkungen mehr vorhanden sind.

Die Kleinteiligkeit der Betreuungslandschaft in Wien bringt den
positiven Umstand mit sich, dass ein sehr hoher Prozentsatz der
Kosten in Personal vor Ort fließt und vergleichsweise wenig in den
Overhead. Einsparungen beim Personal wirken sich aber unmittelbar und
massiv auf die Lebensqualität der betroffenen Menschen mit
Behinderung aus. So kann zum Beispiel ein Nachtdienst, der in einer
Wohngemeinschaft z.B. 10 Menschen mit Behinderung betreut, nicht
"gekürzt" werden. Eingespart werden muss also bei den - ohnehin raren
- Doppelbesetzungen, also genau dort, wo Einzelzuwendung und
intensive Auseinandersetzung stattfinden sollte. Hier produzieren wir
jedoch bei weiteren Einsparungen eine massive Überforderung unserer
MitarbeiterInnen mit allen damit verbundenen Folgen.

In unserer Verantwortung als GeschäftsführerInnen sozialer, nicht auf
Profit ausgerichteter Unternehmen, weisen wir deshalb darauf hin:
Wir sind im Wiener Behindertenbereich zurzeit dabei, durch
permanenten Einsparungsdruck Sprunggrößen zu überschreiten, die zu
einem empfindlichen Qualitätsverlust führen und auch eine Reihe von
gemeinwesenintegrierten Angeboten an sich in Frage stellen werden,
wobei einzelne besonders personalintensive Angebote bereits jetzt
akut gefährdet sind.

Um eine weitere Abwärtsspirale zu vermeiden, erachten wir die
Abdeckung der jährlichen kollektivvertraglich gebundenen Mehrkosten
als unabdingbar.

Wenn auf die Nulllohnrunde im öffentlichen Dienst für 2013 verwiesen
wird, müssen wir als private Leistungsanbieter darauf hinweisen, dass
wir dem Arbeitsverfassungsrecht unterliegen und die Stadt Wien auf
privatrechtlicher Ebene mit uns zusammenarbeitet. Die
Gehaltserhöhungen unserer MitarbeiterInnen sind nicht an den
öffentlichen Dienst gekoppelt, sondern werden u.a. von der
Sozialwirtschaft Österreich (vormals BAGS) mit den Gewerkschaften
ausgehandelt. Wir unterliegen diesem Kollektivvertrag
rechtsverbindlich und sind verpflichtet, die vereinbarten
Gehaltserhöhungen zu bezahlen.

Es ist uns bewusst, dass die Stadt Wien mit dem Budget 2013 vor
großen Herausforderungen steht. Die Spielräume sind äußerst gering.
Dennoch ist es uns wichtig darauf hinzuweisen, dass in der
Behindertenhilfe die Gefahr droht, unverhältnismäßig hohe
Qualitätsverluste für eine relativ geringe Kostendämpfung in Kauf zu
nehmen.

Wir ersuchen daher, bei der Budgetplanung die Notwendigkeit einer
Valorisierung zu berücksichtigen.

Marion Ondricek Wolfgang Waldmüller Robert Mittermair
Sprecher-Stellvertreterin Sprecher-Stellvertreter Sprecher
GF Verein BALANCE GF HABIT GF Verein LOK

Nähere Informationen zur IVS Wien finden Sie unter www.ivs-wien.at.

IVS Wien - Daten und Fakten

Die im Mai 2011 gegründete "Interessensvertretung sozialer
Dienstleistungsunternehmen für Menschen mit Behinderung" (IVS Wien)
gestaltet und entwickelt verbesserte Rahmenbedingungen für die
Betreuung von Menschen mit Behinderung. Die IVS formiert sich aus 17
Wiener Sozialeinrichtungen, die im Auftrag der Stadt Wien,
Dienstleistungen für Menschen mit Behinderung erbringen. Das Ziel des
Vereins ist, aktiv die zukünftige Entwicklung der politischen und
gesetzlichen Parameter in Wien mitzubestimmen und die UN-Konvention
über die Rechte von Menschen mit Behinderung umzusetzen. Die IVS Wien
leistet einen wichtigen Beitrag, damit Betroffene als BürgerInnen an
der Gesellschaft teilhaben können und schafft somit mehr
Lebensqualität. Der Verein zeichnet sich durch gebündeltes
Fachwissen, hohen Qualitätsanspruch, politische Unabhängigkeit und
Offenheit aus.

 

M.S.K.

Ein Projekt der BALANCE Leben ohne Barrieren GmbH

Mittendrin.Sein.Können.

MUV

Ein Projekt des Vereins BALANCE